Bayerwald-Wanderung 1961 - Bericht

In den Jahren zwischen 1960 und 1965 entwickelte sich in der Pfalzgrafenstadt Neunburg eine recht aktive Jugendgruppe der Pfadfinderschaft St. Georg. Wöchentliche Gruppenstunden, Theaterauftritte, Zeltlager, Fahrten und Wanderungen standen auf dem Programm. Stets versuchten die Pfadfinderbrüder nach dem Motto Baden Powells zu handeln: "Allzeit bereit", "Jeden Tag eine gute Tat", "Der Starke hilft dem Schwachen". 

Herausragend in der damaligen Zeit war eine 10-tägige Bayerwaldwanderung im August des Jahres 1961, über die Pfadfinder Peter berichtet: 


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Nachdem unsere "Drahtesel" mit den Rucksäcken und  dem Proviant bepackt waren, radelten wir über Cham, Chamerau und Miltach in die Pfingstrittstadt Kötzting, wo wir im Stadtturm, dem Sitz der dortigen Pfadfinder unser Basislager aufschlugen.

Am nächsten Tag begann unsere Bayerwaldwanderung, die uns über den Höhenrücken des Kaitersberges nach Lam führen sollte. Auf dem Kreuzfelsen mit seinen knapp über 1000m Höhe standen viele von uns zum ersten Male auf einem  "Tausender". Nach einer Brotzeit auf der Kötztinger Hütte ging es durch das Felsenlabyrinth der Rauchröhren zum Riedelstein mit dem Waldschmidtdenkmal. Nachdem wir  die Passhöhe Eck erreicht hatten, nahmen wir den direkten Wanderweg über Arrach nach Lam. In Sichtweite unseres Zielortes geriet schon der erste Bauernhof in unser Blickfeld, die Ginglmühle. Auf Anfragen wurde uns Quartier im Heuschober des Anwesens gewährt. Nachdem wir berichtet hatten, dass wir aus Neunburg v. W. kommen, war die Freude der Bäuerin umso größer, da sie einen Vertreter der Fa. Senft-Mayer recht gut kannte. Über Verpflegung und sonstige Annehmlichkeiten, wie z. B. WC und Wasser, brauchten wir uns keine Sorgen mehr zu machen. Recht romantisch mit Taschenlampenilluminationen verlief die erste Nacht im Heu.


Die beiden Ossergipfel standen am nächsten Tag auf unserem Programm. Über die Osserschachten erreichten wir zunächst den Kleinen, dann den Großen Osser. Auf der Schutzhütte mit Landesgrenze genossen wir den weiten Blick ins "Böhmische" und dann auf die weiteren Bayerwaldgipfel, die wir noch besteigen sollten. Auf dem Rückweg nahmen wir die Direttissima nach Lam und unserem Quartier. Wir beschlossen, am nächsten Tag einen Ruhetag einzulegen, da unsere Füsse besonders durch den Abstieg vom Osser doch einigermaßen gelitten hatten. Also erkundeten wir am nächsten Tag  das Fremdenverkehrsstädtchen Lam mit seinen vielen Berliner Gästen, knüpften Kontakte und badeten und fischten am Nachmittag im Weißen Regen.


Am darauffolgenden Tag war unser Marschziel Bayerisch-Eisenstein. Zunächst wanderten wir entlang des  Weißen Regens nach Lohberg, dann über Sommerau zum Kleinen Arbersee. Besonders beeindruckt waren wir durch die Naturschönheit und schwimmenden Inseln. Über den Sonnenfelsen erreichten wir den Brennessattel und nahmen dann den Fußpfad Richtung Eisenstein. Ungefähr einen Kilometer vor dem bekannten Ort rasteten wir an einer idyllisch am Waldrand gelegenen kleinen Schreinerei. Wir kamen mit dem Schreiner ins Gespräch und bemerkten, dass dieser nichts dagegen hätte, wenn wir im Heuschober über dem Schreinereilager unser Quartier aufschlagen würden. Darüber waren wir sehr froh. Da wir als Pfadfinder unsere Umgebung immer genau erkundeten, entdeckten wir schnell, dass es sich um einen Sargschreiner handelte, was uns aber nicht im geringsten störte. Ein herrlicher Ort für die Schauergeschichten, die wir uns immer nachts erzählten! Abends kochten wir Gulasch, sangen Fahrtenlieder und spielten Schafkopf und Watten.


Am nächsten Tag stand der Große Arber auf dem Programm. Zunächst wanderten wir zu Talstation der Sesselbahn und dann in der Liftschneise hoch zum Gipfel mit seinen 1457 m Höhe. Wegen der Liftanlagen und BW- Radarstationen kam uns der ganze Berg ziemlich verbaut vor, im Gegensatz zu Osser und Kaitersberg. Die Felsformationen des Richard-Wagner-Kopfes in der Bodenmaiser Mulde hatten es uns schon eher angetan. Müde erreichten wir nachmittags unser Lager beim Sargschreiner. Die beiden im Quartier gebliebenen Pfadfinderbrüder  hatten einen leckeren Eintopf zubereitet, und so kamen wir bald wieder zu Kräften.


Am 7. Tag unserer Bayerwalderkundung hatten wir uns den Großen Falkenstein als Ziel gesetzt. Durch das wildromantische Höllbachspreng erklommen wir den Gipfel und wurden wiederum mit einer herrlichen Weitsicht belohnt. Über die ausgeprägten Schachten des Falkensteins, immer entlang der Grenzmarkierungen  erreichten wir wieder unser Quartier in der Waldschreinerei.


Am nächsten Tag erkundeten wir Bayerisch-Eisenstein mit seinem Grenzbahnhof, die unüberwindlichen Befestigungen zum Nachbarort Böhmisch -Eisenstein, die Pfarrkirche und das Arber-Wellenbad.


Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen von unserem idyllischen Lager und den freundlichen Quartiergebern. Der Weg führte uns den Schwarzen Regen entlang nach Zwiesel, der Bayerwald-Metropole. Dort beschlossen wir, uns in Kleingruppen aufzuteilen, und per Autostopp durch das Zellertal zu unserem Basislager Kötzting zu gelangen. Ohne größere Probleme hatten am Abend alle die Pfingstrittstadt erreicht. Am Abend feierten wir unsere gelungene Wanderung und sangen bis spät in die Nacht  Lieder.


Am 10. Tag  erreichten wir, mit vielen Erlebnissen und neuen Erfahrungen bereichert, unsere Heimatstadt Neunburg v.W. . Kameradschaft und Zusammenhalt waren die Voraussetzungen für eine Wanderung, von der alle Dabeigewesenen noch heute erzählen und schwärmen.

2 Kommentare:

  1. Peter erinnert sich:
    Am 13.August,dem Tag des Beginns des Mauerbaus in Berlin, waren wir gerade beim Waldbauern
    in Bayerisch Eisenstein. Wir lasen die Zeitung und verbreiteten die Nachricht unter uns 11 Pfadfindern.
    Über die Konsequenzen für unser Land waren wir uns allerdings in keiner Weise im klaren.

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  2. Jonas Keilhammer hat einen neuen Kommentar zu Ihrem Post "Bayerwald-Wanderung 1961 - Bericht" hinterlassen:

    Pfadfinder-Bruder Bale berichtet: Mit der Ginglmühl-Bäuerin entwickelte sich folgender Dialog: - Bouma, wou satz etz dena hea? - Aus Neinburg vorm Wald - Kennt ihr dou an Zant Peter, der war Reisender beim Duscher Tschee - Ja frale, dös is unsa Vadda

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